06. Juli 1905: Fahnenweihe auf der Marktstraße. Mit Ehrenjungfrauen.
Wieder waren es die Frauen und Jungfrauen, die sich für eine neue Fahne stark machten.
1905 wurde die weiland 1869 dem Schützenkorps geschenkte Fahne der Bürgerwehr von 1705 exakt 200 Jahre alt. Da mußte eine neue Fahne her, befanden besagte Frauen und Jungfrauen.
Eine Sammelaktion unter den Damen verlief äußerst erfolgreich. Sie erbrachte 566 Mark und 50 Pfennig. Da eine neue Fahne rund 400 Mark kostete, war noch Geld übrig für die Anschaffung eines
gestickten Fahnenbandes sowie von Schärpen für die Fahnenjungfrauen, die anläßlich der Übergabe auftreten sollten. Ja sogar der Erwerb eines speziellen Fahnenschranks war wenigsten teilweise
mitzufinanzieren.
Die neue Fahne war 1,45 Meter breit und 1,20 Meter hoch. Auf der Vorderseite - Farbe: Grün - findet sich eine Scheibe mit gekreuzten Gewehren und Anzeigekellen, ein sicherer Hinweis, daß in
Winsen auf Scheibe geschossen wurde. Über der Scheibe sieht man einen Adler, unter ihr ein Wappen mit dem Niedersachsenroß als Jagdtasche, darunter wiederum ein Pulverhorn. Alles wird durch einen
Eichenkranz eingefaßt. Quer hindurch verläuft ein Band mit der Aufschrift "1705 - 1905".
Über allem liest man im Bogen: "Üb´ Aug´ und Hand für´s Vaterland", unter allem: "Gewidmet von den Frauen der Schützen". In den vier Ecken des Fahnentuchs ist je eine Scheibe angebracht.
Auf der Rückseite - Farbe: Weinrot - prangt das Winsener Wappen in einem Eichenkranz. Darüber steht: "Schützen-Corps", darunter "Winsen a. d. Luhe". In allen vier Ecken findet sich Wappen:
schwarz-weiß-rot, schwarz-weiß, gelb-weiß und blau-gelb-rot (Deutschland, Preußen, Hannover, Winsen). Die Wappen sind mit Eichenlaub verziert.
Den Auftakt des fünftägigen Schützenfestes bildete der Zapfenstreich für Bäckermeister Julius Schröder, den König des Vorjahres, der gleichzeitig als Kommandeur seines Amtes waltete.
Der Donnerstag, 06. Juli, war dann der große Tag der Fahnenweihe. Um elf Uhr traten die Schützen vor Beckmanns Hotel an, holten die vorhandenen Fahnen sowie Kommandeur und König Schröder
ab und marschierten vor die auf der südlichen Seite der Marktstraße errichtete Tribüne.
Mehr noch als das Tannengrün und die Flaggen schmückten sie die elf weißgewandeten Ehrenjungfrauen mit den Schärpen.
Verse von Bäckermeister Wilhelm Lohmar erklangen. Sodann enthüllten die Ehrenjungfrauen die Fahne und übergaben sie dem Schützenleutnant Martin Ravens. Das angetretene Schützenkorps präsentierte
das Gewehr. Der Präsentiermarsch erscholl. Dahinein mischten sich die Töne der Betglocke vom nahen Turm der St.-Marien-Kirche.
Nachdem Fahnenträger Henry Hetebrügge die Fahne übernommen hatte, begann Martin Ravens seine Weihrede. "Ich weihe sie (die Fahne) mit dem Wunsche", rief der wortgewaltige Chefredakteur und
Verleger der "Winsener Nachrichten" über den weiten Platz, "daß sie allezeit um sich sammeln möge gute und treue Männer, die gewillt sind, das Schützenkorps und unser Schützenfest aufrecht zu
erhalten. Möge unter dem Rauschen der neuen Fahne sich das Schützenkorps zu herrlichster Blüte entfalten. Mögen wie bisher so in fernen Zeiten Eintracht und Bürgersinn die Schützen
beseelen."
Noch ein Gedicht. Dann sprach Kommandeur und König Julius Schröder. Und schon formierte sich das Korps zum Parademarsch vor der Tribüne vorbei.
Der Rundmarsch durch die Stadt endete 13.30 Uhr auf dem Schützenplatz. Ausnahmsweise zusammen mit ihren Damen nahmen die Schützen im prächtig geschmückten ersten Saal des Schützenhauses ein
Festessen ein. Über 200 Damen und Herren waren anwesend. Das erste Hoch brachte Bürgermeister Gustav von Somnitz aus: "Seine Majestät, unser allergnädigster Kaiser, König und Herr, lebe hoch,
hoch, hoch !" Alle erhoben sich von den Plätzen und sangen stehen "Heil Dir im Siegerkranz !"
Später beim Bratengang dankte Schützenhauptmann Rehbehn den Frauen und Jungfrauen für ihr großes Geschenk, die Fahne und das Fahnenband.
Aus dem folgenden Jahr - 1906 - ist die Mitgliederzahl des Schützenkorps überliefert: 181. Es gab 3 Ehrenmitglieder, 137 aktive Mitglieder, 11 hiesige soziale Mitglieder und 30 auswärtige soziale
Mitglieder. Heute spräche man von passiven Mitgliedern.
Der Zuschuß aus der Vereinskasse für den König belief sich auf 200 Mark (dem geflüchteten Gastwirt August Cohrs waren weiland 300 Mark ausgezahlt worden). Außer der Königsscheibe gab es die
Ausmarschscheibe und die Festscheibe; wer auf die Scheibe schießen wollte, mußte sich für eine Mark eine Karte kaufen und konnte dann drei Schüsse abgeben. 1905 wurden knapp 700 Karten
verkauft.
Die Proklamation erfolgten stets durch den Kommandeur im ersten Saal des Schützenhauses.